Liebe Genossinnen und Genossen,
eine Woche der emotionalen Schwankungen liegt hinter uns. Die tiefe Enttäuschung zu Beginn dieser Woche über die gescheiterte Wahl von Andrea Ypsilanti stand und steht vielen ins Gesicht geschrieben. Ohne ihr Engagement und die von weiten Teilen der Partei getragene inhaltliche Neuaufstellung wäre das gute Ergebnis am 27. Januar nicht möglich gewesen. Deshalb bin ich dankbar, dass sie an Bord bleibt und als Landes- und Fraktionsvorsitzende beim anstehenden Landtagswahlkampf aktiv eingreift.
Die Aufgabe des Spitzenkandidaten für die Landtagswahl am 18. Januar 2009 soll ich übernehmen. Dies ist angesichts unserer Lage eine sehr große, manche behaupten übermächtige, Aufgabe. 70 Tage stehen uns zur Lösung der Herausforderung zur Verfügung, das ist sehr wenig Zeit. Dies wird nur gelingen, wenn alle Teile der Partei zusammen arbeiten. Dass wir das können, haben wir in der 145jährigen Geschichte der Sozialdemokratie immer wieder bewiesen. Daran müssen wir anknüpfen.
Wir haben nur gemeinsam eine Chance! Ich bitte Euch deshalb darum, die hessische SPD und mich in den kommenden Wochen zu unterstützen.
Ich weiß, dass vielen nach den Ereignissen dieser Woche noch nicht der Kopf nach neuen Wahlkämpfen steht. Aber unsere Themen bleiben weiter aktuell:
Für mehr Bildungsgerechtigkeit haben wir bereits Erfolge mit der Abschaffung der Studiengebühren und ersten Bausteinen für das Haus der Bildung erreicht. Diese Erfolge stehen am 18. Januar erneut zur Abstimmung. Denn die CDU steht weiterhin für das Zurück zur bornierten Bildungspolitik von Karin Wolff und auch die Abschaffung der Studiengebühren bleibt nur mit uns garantiert.
In der Frage anständiger Arbeitsbedingungen haben wir viel Druck aufgebaut. Nur deshalb gibt es wieder einen Tarifvertrag für die Mitarbeiter des Landes. Aber wir wollen mehr für Gute Arbeit erreichen – also Mindestlohn, Regulierung der Leiharbeit, Tariftreue – und andere wollen das Gegenteil. Die Mindestlöhne werden nicht von selbst kommen. Roland Koch ist und bleibt ein neoliberaler Prediger, der Armutslöhne propagiert. Und der Druck auf die Arbeitsbedingungen wird sich angesichts einer drohenden Wirtschaftskrise drastisch erhöhen. Da braucht es eine starke SPD an der Seite der Arbeitnehmer und Gewerkschaften.
Die Energiewende ist und bleibt ein notwendiges Thema. Mobilitätskosten werden sich gerade für Menschen im öffentlichen Raum weiter verteuern. Wir brauchen dazu entschlossene Antworten. Dies gilt gerade dann, wenn wir unseren Kindern und Enkeln eine lebenswerte Welt erhalten wollen.
Wir haben neue Themen auf dem Tisch, die wir ergänzend bearbeiten müssen. Die Frage der Organisation der Finanzmärkte ist gerade auch mit dem Finanzplatz Frankfurt ein hessisches Thema.
Die Entscheidung für eine andere Spitzenkandidatur ist von zweierlei Überlegungen getragen gewesen. Erstens der Einschätzung von Andrea Ypsilanti, dass sie mit ihrer Person derart im Zentrum von Angriffen steht, dass unsere wichtigen Themen dahinter zu verschwinden drohen. Zweitens der Überlegung, jetzt auch einen Generationenwechsel einzuleiten.
Für beides stehe ich als Person. Ich bin keine Kopie von wem auch immer, ich will und werde meine eigenen Akzente setzen.
Die Aufgabe Spitzenkandidat der hessischen SPD sein zu dürfen, erfüllt mich mit Stolz und Demut zugleich. Meine persönliche Kraft will ich dafür uneingeschränkt einsetzen. Alleine werde ich es nicht richten, das schaffen wir nur gemeinsam.
Die politische Konkurrenz hat schon oft geglaubt, dass wir am Boden liegen und unsere Zeit vorbei ist. Die Ausgangsbedingungen sind schwierig, sehr schwierig - aber nicht aussichtslos. Deshalb sage ich auch: jetzt erst recht!
Mit freundlichen Grüßen
Thorsten Schäfer-Gümbel, MdL